18. Dezember: Pharisäer im Lehrerzimmer

Heute sind wir zu Gast am "evau", unserem Evangelischen Gymnasium in Weidenau.

... wir schauen hinter die Kulissen und lernen eine alte adventliche "evau"-Tradition kennen

... und schließlich gibt es ein Geo-Cache (was das ist? - das erfahrt Ihr gleich...)




von Lehrer*innen des evau-Kollegiums in Zusammenarbeit mit Silke van Doorn

Corona und Schule

Es ist viel berichtet und diskutiert worden über das Thema "Corona und Schule". Als Schulreferentin der Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein bin ich (Silke van Doorn) häufig zu Gast in den Schulen im gesamten Kreisgebiet Siegen-Wittgenstein. Ich habe hautnah mitbekommen, wie aufreibend die zurückliegenden Monate für alle Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern gewesen sind.

Corona hat vieles offen gelegt, was in unserem Schulsystem dringend verbessert werden müsste. Nicht alle Schulen sind so gut ausgestattet wie das evau, das 2011 einen neuen Gebäudekomplex mit Mensa und Selbstlernzentrum einweihen konnte. 

Aber auf Corona war wohl keine Schule wirklich vorbereitet. Selbst in einem modernen Schulumfeld, wie am evau, können z.B. die vom Infektionsschutz vorgegebenen Abstände nicht wirklich eingehalten werden. 

Die große Herausforderung für alle Schulen in der Coronazeit: das digitale Lernen auf den unterschiedlichen Ebenen. Da ist zum einen die technische Ausstattung (Endgeräte und Internetzugang). Hinzukommen viele nach wie vor offene didaktische und pädagogische Fragestellungen.

Gezeigt hat sich vor allem im letzten Lockdown, in dem alle Schulen geschlossen worden sind, wie wichtig es ist, den Lernort Schule zu haben: Die echte Begegnung zwischen Schüler*innen und Schüler*innen, zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen, zwischen Lehrer*innen untereinander, der Kontakt zur Schulsozialarbeit mit ihren vielfältigen Angeboten, ja auch der Kontakt zu den Hausmeister*innen ist digital nicht zu ersetzen. 

Altmodisch könnte ich sagen: Wie spielt man eigentlich Streiche, wenn Menschen nicht zusammen kommen? 

Das soziale Gefüge an einer Schule – und in unserer Gesellschaft auch schon in einer Kita mit den Angeboten zur frühkindlichen Bildung – ist unverzichtbar. Das drückte sich darin aus, dass fast alle Kinder und Jugendlichen, egal wie ihr Verhältnis zum Schulgang vorher war, glücklich waren, wieder in die Schulen zurückzukehren. 

Schule ist Begegnungsort: Ort des Lernens, Ort des Müßiggangs. Die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes! Ort des Lebens und sich Ausprobierens.

Dass nun vor dem zweiten Lockdown die Schulen so lange wie möglich geöffnet blieben, war sicherlich genau dem geschuldet. 

Allen Menschen, die in und an Schulen arbeiten sei ein großer Dank ausgesprochen: Die oft gehörte Lehrerschelte hat endlich für jeden sichtbar keine Berechtigung.

Wir brauchen den Lernort Schule für unsere Gesellschaft. 

Mit aller gebotenen Kraft und Liebe zeigt sich hier die soziale Gesellschaft.

 

Musikalischer Advent

Musik wird großgeschrieben am evau. Kein Wunder, dass das Adventskonzert in der Haardter Kirche seit vielen Jahren zu den festen Traditionen des evau gehört. 


Die unterschiedlichen schulinternen Chöre und Musikgruppen musizieren und singen kurz vor Weihnachten und erfreuen die Schulgemeinschaft, die Familien und langjährige Freunde sowie viele Ehemalige mit traditioneller, aber auch moderner Musik.

Was für ein Jammer, dass all das in dieser Adventszeit nicht stattfinden durfte!


Und nun  - psst! Verraten wir ein Geheimnis...

... eine ganz besondere Tradition gibt es schon seit uralten Zeiten im Kollegium des evau. Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien,  sitzen alle Kolleg*innen normalerweise noch gemütlich zusammen... 

Archivfoto: evau

und trinken ...

Pharisäer

– eine besondere Kaffeespezialität mit Augenzwinkern.

 

Pharisäer!?

Ein Pharisäer ist eine Kaffeespezialität. Sie besteht aus frisch gebrühtem, starkem schwarzen Kaffee, der mit Zucker gesüßt wird. Dann wird ein kleiner Schuss braunen Rum dazu gegeben. Darauf kommt eine ordentliche Portion steifgeschlagener Sahne. Die Sahnehauber ist lecker. Aber sie hat noch eine zusätzliche Funktion.

Die Legende der Entstehung des Getränks, das von der Nordseeküste nicht nur ins Siegerland eingewandert ist, geht so:

Entstanden ist das Getränk „Pharisäer“ auf der Insel Nordstrand im 19. Jahrhundert. Zu jener Zeit amtierte dort der besonders asketische Pastor Georg Bleyer. Niemand sollte Alkohol trinken – ganz gegen anderslautende Traditionen - bei Festen. Bei der Taufe des sechsten oder siebenten Kindes des Bauern Peter Johannsen bediente die Familie sich einer List. Sie bereitete den beschriebenen Kaffee zu und bediente damit alle Gäste. 

Die Sahnehaube verhinderte dabei, dass der Rum im heißen Kaffee verdunstete und es nach Alkohol roch. Selbstverständlich bekam der Pastor stets einen ungespritzten Kaffee mit Sahne. Es kam ihm allerdings merkwürdig vor, dass die Gesellschaft immer ausgelassener wurde und der Geruch von Rum sich im Raum ausbreitete. 

Er probierte einen Schluck aus der Tasse seines Nachbarn. Entsetzt spuckte er den Schluck auf das weiße Tischtuch und rief: „Oh, ihr Pharisäer!“ 

 

Eine antijüdischer Pointe 

Die Geschichte mit dem hochprozentigen Kaffee ist zweifellos lustig. Allerdings entlarvt sie auch ein beträchtliches Missverständnis. Ein Missverständnis mit fataler, weil antijüdischer Wirkungsgeschichte. Unsere kleine Geschichte verwendet den Begriff "Pharisäer" gleichbedeutend mit dem Wort für "Heuchler" oder gar Lügner und Betrüger.

Der Theologe Dieter Vetter hat in seinem Aufsatz „Für Christen nur ein Schimpfwort. Rückbesinnung auf die Bedeutung der Pharisäer für das jüdische Volk“ (erschienen in: Dieter Vetter, Das Judentum und seine Bibel, Würzburg 1996, 229-231) ausführlich beschrieben, warum wir Christ*innen das jüdische Volk verunglimpfen, wenn wir das Wort „Pharisäer“ als Schimpfwort gebrauchen. 

In Mt5,20 sagt Jesus:  

"Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen". 

„Nicht größer“ – natürlich versteht Jesus die Pharisäer als gerecht, als fromm! 

So gibt es auch eine Lehrdisputation mit einem Pharisäer, der Jesus nach dem vornehmsten Gebot befragt (Markus 12,28-34): Es ist das „Schma Jisrael/Höre Israel“ (5. Mose 6, 4ff) und das Doppelgebot der Liebe – Liebe zu Gott und den Menschen. Beides entspricht der pharisäischen Lehre: 

„Du sagst: Gott ist barmherzig und gnädig; wohlan, sei auch du barmherzig, tue Gutes selbstlos und gegen jeden. Du nennst Gott gerecht. Du sagst: Gott ist voller Liebe in allem, was er tut; so sei auch du voller Liebe“ (Midrasch Sifre zu Dtn 11,22).

Wenn es zu kritischen Anmerkungen über die Pharisäer kommt im Neuen Testament, so können wir von innerjüdischen Streitgesprächen ausgehen, die nicht die grundsätzliche Haltung aller Pharisäer in Frage stellen. Zumal es in der Forschung auch Stimmen gibt, die Jesus der pharisäischen Bewegung zuordnen.

 

Und jetzt zum Geo-Cache

Geo-Caching ist ein Freizeitvergnügen, das zwei scheinbare Gegensätze miteinander verbindet:

Die digitale und die analoge Welt.

Man könnte Geo-Caching auch ganz simpel als "Wandern mit Anreiz" bezeichnen. Oder als satellitenunterstützte Schatzsuche. 

Symbolfoto - kein Foto des evau Caches
 

Am evau lieben sowohl Schüler*innen als auch Lehrer*innen das Geo-Caching. Gemeinsam haben sie für uns, die Leser*innen von "STAUNEN und LERNEN" einen Geo-Cache vorbereitet. Das heißt, in der Nähe des evau in Weidenau liegt ein Schatz vergraben, den es zu finden gilt.  

Das Gute ist: Geo-Caching ist eine absolut Corona-sichere Aktivität und für alle Generation geeignet. 


ZUM MITMACHEN: 

Dies hier sind die Koordinaten: 

Breite.   50,8991°

Länge.  8,0211°

Und nun für alle, die neugierig geworden sind und gerne wissen wollen, was sie tun müssen, um den Schatz zu finden, hier eine kleine Einführung ins Geo-Caching:


ZUM AUSTAUSCHEN:

Welche eigenen, ungewöhnlichen Advents- und Weihnachtstraditionen kennt Ihr aus Euren Dörfern, Familien, aus Eurem (ehemaligen) beruflichen Umfeld? 

Konntet Ihr dieser Tradition in diesem Jahr folgen oder hat Euch Corona dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht?

Schreibt uns dazu etwas hier direkt in die Kommentare oder bei Facebook (#staunenundlernen) oder per E-Mail:

silke.vandoorn@kirchenkreis-siegen.de

heike. dreisbach@kirchenkreis-siegen.de

 

Bis morgen -  beim nächsten Türchen! 



 




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