19. Dezember: Festtagsküche aus Wittgenstein

Heute dreht sich hier alles um den weihnachtlichen Festschmaus. 

Was uns erwartet:

  • das Ergebnis einer kleinen Umfrage zur Wittgensteiner Festtagsküche in alter Zeit
  • ein klassisches Rezept für DAS traditionelle Heiligabend-Essen 
  • Eine kleine Anregung für die eigene kulinarische Feiertagsgestaltung

Weihnachten bedeutet auch: 

Etwas ganz besonders Gutes soll auf den Tisch kommen! 

Seit Generationen ist das so. Ganz gleich, wie die Zeiten waren. In vielen Familien habe sich eigene Traditionen herausgebildet, welche Gerichte für Heiligabend oder für die Feiertagen vorbereitet werden. Vor Weihnachten ist also ordentlich was los am heimischen Herd. Es wird nach Herzenslust gekocht, gebraten und gebacken. Eigentlich.
 


Nun ist es in diesem Jahr leider nicht möglich, dass wir in großer Runde beieinander sitzen und genüßlich miteinander tafeln. Das ist wirklich jammerschade!

Aber essen "müssen" und wollen wir trotzdem. 

Bei aller Wehmut und aller Traurigkeit über das, was leider nicht möglich ist: Es gibt genug Gründe, trotz allem dankbar zu sein. 

Zum Beispiel dafür, dass unsere Versorgung gesichert ist. Die Lebensmittelläden sind gefüllt mit allem, was wir brauchen. Das ist alles andere als selbstverständlich und hätte sich in diesen Pandemiezeiten durchaus auch anders entwickeln können. Dass die Regale leergehamstert waren beim ersten Lockdown spricht für sich. 

Deshalb:

Auch wenn die ganz großen Töpfe und Pfannen in diesem Jahr im Schrank bleiben können: Es uns gut gehen lassen, lecker essen, einen Festschmaus genießen, das ist trotzdem möglich. 

Und wer weiß? 

Vielleicht greift jetzt der eine oder die andere, selbst zum Kochlöffel, anstatt sich wie in den Jahren zuvor einfach nur an den "von Muttern" gedeckten Tisch zu setzen. 

Immerhin liegen Kochen und Backen wieder voll im Trend!

 

 Was kommt in Wittgenstein eigentlich traditioneller Weise an den Feiertagen auf den Tisch?

Das haben wir uns gefragt und uns für Euch umgehört. 

Tatkräftig unterstützt hat uns dabei Heidelore Hoefgen aus Erndtebrück. Die 73jährige ehemalige Büroangestellte ist seit 35 Jahren verwitwet und hat eine Tochter und zwei Enkel. Über ihr Engagement in der Kirchengemeinde und im Ort schreibt sie: 

"Bei unserem Abendgottesdienst beteilige ich mich gerne, da hat der Pfarrer nur eine kleine Rolle, das beteiligte Team macht außer der Predigt fast alles. Dadurch habe ich auch gelernt, mit Mikrophon zu sprechen und keine Angst mehr davor zu haben. Unser Heimatmuseum liegt mir auch am Herzen. Das hat neue Fenster bekommen und deshalb müssen die Räume ausgeräumt und alles sauber gemacht und wieder eingeräumt werden. Dabei werden die einzelnen Exponate nummeriert und aufgenommen für die Feuerversicherung. Das ist eine Aufgabe, wie für mich gemacht".

(Foto oben links: Ev. Kirche Erndtebrück)

Heidelore Hoefgen hat in Sachen Weihnachtsessen im Bereich der Kirchengemeinde Erndtebrück für uns eine kleine Umfrage durchgeführt, per Telefon oder - coronasicher - bei Haustürbesuchen oder anderen Gelegenheiten. Das Ergebnis ihrer Nachforschungen hat sie wie folgt zusammengefasst:

Was Weihnachten und Heilig Abend früher für eine Bedeutung beim Essen oder Plätzchenbacken hatte! 

Weil wir in diesem Jahr keine großen Weihnachtsfeiern abhalten konnten, habe ich mit Bewohnern des Altenheims telefoniert oder mit Nachbarinnen gesprochen, welche Plätzchen gebacken wurden und was es an Weihnachten oder Heilig Abend zu Essen gab. 

Hier nun einige Zitat aus diesen Gesprächen:

"Wir backten hauptsächlich Spritzgebäck, zum Teil auch mit Kokosflocken und vieles durch die Maschine gedreht. Heidesand wurde auch gern bei uns gegessen. An Weihnachten gab es Pute, Klöße und Salat".

 "Mein Vater war zwar Bäcker, aber die Plätzchen, die musste meine Mutter backen. Sie machte gern die doppelten, wo zwischen die beiden Kreise Marmelade gestrichen wurde. Und das Schwarz-Weiß-Gebäck, was ja sehr viel Arbeit bedeutet, das machte meine Mutter auch. Später, im eigenen Haushalt, hatte ich eine Ausstechform als Bärchen, die hat mein Mann immer liebevoll mit dünnen Strichen aus Zuckerguß verziert. Die sahen richtig lebendig aus. Für die Kinder wurden auch Schokoguß und bunte süße Perlchen draufgetan".

"Wenn meine Mutter anfing, Plätzchen zu backen - sofort fingen die Nachbarn auch an. Viel Spritzgebäck wurde gemacht. Der Bäcker wohnte nebenan, und da wurden die großen Kuchenbleche zum Backen hingebracht. Ich erinnere mich auch noch an Haferflockenmakronen. Die Geschwister haben alle mitgeholfen. Am 2. Weihnachstag habe ich Geburtstag, da durfte ich immer im Bett frühstücken, zusammen mit meinem Vater. Meine Mutter backte dafür "Terrassen", das ist ein mehrstöckiger Kuchen. Das war für mich der Höhepunkt. In der eigenen Familie gab es an Weihnachten Zunge mit einer feinen Sauce, Reis und Salat. Das reichte am 2. Feiertag auch noch."

 

"An Heiligabend gab es bei uns nachmittags gekauften Streuselkuchen mit Füllung. Das ganze Jahr wurde kein Kuchen gekauft, nur selbst gebacken, außer dieser Ausnahme."

"Ich habe gern Spritzgebäck gebacken  und Makronen, aber auch Berliner Brot. Das sollte ja ein bisschen liegen. Aber in einem Jahr nahm es erschreckend schnell ab. Bis ich den Übeltäter erwischt hatte, habe ich ein anderes Versteck gesucht."


"Ich habe an Heiligabend gekocht wie meine Schwiegermutter: Sauerkraut, Eisbein und
Klöße. Das Eisbein wurde mit Lorbeerblatt, Wacholderbeeren, Kümmel und verschiedenen Gewürzen extra gekocht, damit nachher auch eine Sauce für die Klöße entstand."

"Gebacken habe ich Makronen mit Kokosflocken, manchmal mit Kakao, damit sie dunkler wurden. Die benötigten dann aber eine Messerspitze Backpulver zusätzlich. Das Spritzgebäck wurde hauptsächlich durchgedreht. Ich durfte dann Schokolade schmelzen und die Stücke darin eintauchen".

"Meine Mutter backte sehr gern. In den letzten Jahren mussten es mindestens sechs bis acht verschiedene Sorten sein. Wir haben auch Christstollen gebacken, dabei war die ganze Familie gefordert. Die Mandeln mussten enthäutet und gehackt werden, die Walnüsse wurden selbstgehackt, die Rosinen wurden in Rum eingelegt usw. Jeder von uns war beschäftigt, bis der Stollen im Backofen war. Und dann durfte er nicht sofort angeschnitten werden."

"An Heiligabend gab es Kartoffelsalat und Fleischwurst. Wir schlachteten je selbst, und da wurde keine Wurst gekauft, außer an Heiligabend."

"Bei fast zwanzig Personen wurde an Heiligabend ein Wännchen voll Kartoffelsalat gemacht, richtig mit Mayonaise. Dazu gab es einen großen Topf Gulasch. Hat auch geschmeckt!". 


Kartoffelsalat - das klassische Essen für den Heiligen Abend

Wer könnte für unseren Adventskalender ein Rezept beisteuern z.B. für einen richtig schönen traditionellen Wittgensteiner Kartoffelsalat? Heidelore Hoefgen hat den betagten Wittgensteinerinnen, mit denen Sie sich unterhalten hat, gut zugeredet, aber leider ohne Erfolg. Die Leute hätten "entweder gemauert", oder hätten schlicht keine näheren Angaben mehr machen können. Einmal mehr zeigt sich, dass gerade gute Köch*innen häufig eher intuitiv kochen oder backen und dabei nach dem Prinzip "Augenmaß und Handgewicht" verfahren. Ein Vorgehen, dass sich im Nachhinein nur schwer näher präzisieren lässt. 

Wir waren schon dicht davor aufzugeben, als Pfarrerin Kerstin Grünert aus Erndtebrück uns den Kontakt zu Renate Schmidt vermittelt hat. 


Renate Schmidt aus Altenteich, zur Kirchengemeinde Erndtebrück gehörend, ist eine Wittgensteiner Landfrau mit Leib und Seele. Sie ist siebzig Jahre alt, verwitwet, Mutter von drei erwachsenen Kindern und Großmutter von neun Enkelkindern. Sie bewirtschaftet einen kleinen Bauernhof mit Gartenland, vier Pferden, einer Schar Vorwerkhühner, sowie "Hund, Katze und Maus". 

Renate Schmidt arbeitet seit vielen Jahren mit im Vorstand des Landfrauenverbandes Siegen-Wittgenstein.

In diesem Verband engagieren sich Frauen, die auf dem Land leben, erläutert uns Renate Schmidt. Frauen, die sich sowohl in "Pumps, als auch in Gummistiefeln zu bewegen wissen".

Ein Ziel, das sich die Landfrauen neben der Vertretung ihrer eigenen Interessen gesteckt haben:  Der Alltag soll nicht zur Nebensache werden. Landfrauen setzen sich dafür ein, dass hauswirtschaftliche Alltags- und Ernährungskompetenzen weiter gegeben werden, z.B. auch an unseren Schulen.

Renate Schmidt kocht häufig für ihre große Familie. Auf der Suche nach einem Kartoffelsalat-Rezept sind wir bei ihr genau richtig. Als verbandlich organisierte Landfrau fällt es ihr nicht schwer, zu erklären, wie man einen richtig guten Wittgensteiner Kartoffelsalat zubereitet. Nämlich so:

Wittgensteiner Kartoffelsalat

Einen großen Topf Pellkartoffeln kochen (festkochende oder vorwiegend festkochende Sorte, ca. 2 kg).

Kartoffeln abkühlen lassen, pellen und in dünne Scheiben schneiden.

Eine Sauce zubereiten aus:

2 Becher süße Sahne

1 Becher saure Sahne

ein ordentlicher Schuss Kräuteressig 

würzen mit:

Salz, Pfeffer, etwas Maggi-Würze, Senf und Salatkräutern (Petersilie oder Salatkräutermischung)

2 - 3 klein gewürfelte Gewürzgurken

etwas Gurkenwasser 

je nach Geschmack eine Prise Zucker

Verfeinert werden kann der Salat z.B. mit einem sehr fein gewürfelten Apfel, klein geschnittenen hartgekochten Eiern oder sehr feingewürfelter Fleischwurst

Die Sauce vorsichtig unter die Kartoffeln heben, alles gut durchziehen lassen. Vor dem Servieren noch einmal abschmecken und ggf. noch etwas Gurkenwasser dazugeben, falls der Salat  nicht mehr feucht genug ist. 

Zum Servieren in einer Schüssel anrichten, mit hartgekochten, geviertelten Eiern, Gurkenfächern, Petersilie usw. garnieren.

Guten Appetit!

Kapelle Sassenhausen


ZUM NACHDENKEN:

Welche weihnachtlichen Festtagsspeisen kenne ich aus meiner Kindheit?

Welche habe ich besonders gerne gegessen?

Welche weihnachtlichen Festspeisen mag ich heute besonders gerne?


Wie sieht mein Speiseplan aus für die kommenden Feiertage?

Welche Alternativen zur großen gemeinsamen Festtagstafel sind denkbar? z.B.:

Winter-Picknick mit Thermokanne und Gebäck beim gemeinsamen Spaziergang, zusammen Kochen und Tafeln per Video-Konferenz - siehe unten.

 

TIPP FÜR DIESES SELTAME CORONA-WEIHNACHTSFEST:

Wie wäre, sich per Video-Chat (Zoom, Skype, Facetime u.a.) zum gemeinsamen Kochen und Essen zu verabreden?

Wie geht so etwas?

  • Alle bereiten das gleiche Gericht zu, während sie miteinander per Video-Konferenz verbunden sind.
  • Dafür ist es wichtig, sich frühzeitig auf ein gemeinsames Rezept zu einigen, damit alle dafür sorgen können, dass sie die nötigen Zutaten zur Hand haben. Wichtig ist sicherlich auch, dass es kein allzu kompliziertes Rezept ist, damit auch Anfänger und Ungeübte nicht überfordert werden.
  • Zum vereinbarten Zeitpunkt platzieren alle ihre Laptops, Tablets etc. an einem geeigneten Ort in der Küche, so dass alle einander beim Kochen und später beim festlichen Essen zuschauen können. 

Vielen Dank 

an Heidelore Hoefgen, Renate Schmidt und Pfarrerin Kerstin Grünert 
aus der Kirchengemeinde Erndtebrück 
und an Jens Gesper, den Öffentlichkeitsreferenten des Ev. Kirchenkreises Wittgenstein fürs Mitmachen bei diesem Türchen!


Viel Freude - trotz allem - beim Pläneschmieden, Backen, Kochen und Vorbereiten für das bevorstehende Weihnachtsfest!


Mit diesem stimmungsvollen Fotos aus dem winterlichen Wittgenstein verabschieden wir uns für heute von Euch - bis morgen, beim nächsten Türchen!






 








 






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