22. Dezember: Christus - die wahre Sonne - oder: wie das Jesuskind zu seinem offiziellen Geburtsdatum kam

An welchem Tag hat Jesus Geburtstag?

Am 24. oder am 25. Dezember?

Oder vielleicht doch erst am 7. Januar, wenn die orthodoxen Christ*innen Weihnachten feiern?

Dieser Frage gehen wir heute nach...



Um es gleich vorweg zu sagen: Das Geburtsdatum von Jesus ist nirgends überliefert. 

Schon der Versuch, sein Geburtsjahr ungefähr bestimmen zu wollen, hat die Forschung vor schwierige Aufgaben gestellt. 

Die von einem römischen Abt namens Dionysius Exiguus im 5. Jahrhundert erstellte Zeitrechnung "anni ab incarnatione Domini" (seit der Inkarnation, also "Fleischwerdung" des Herrn), hat sich zwar durchgesetzt. Die diesem Modell zugrunde liegende Berechnung jedoch hält einer kritischen Überprüfung letztlich nicht Stand. 

Zwar liefert u.a. das Lukasevangelium einige historische Anhaltspunkte, um den Zeitpunkt der Geburt Jesu näher zu bestimmen, so zum Beispiel die ersten beiden Verse aus Lukas 2: "Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war". Oder die Angabe in Lukas 1, 5, wonach die Geburt von Johannes dem Täufer (ca. ein halbes Jahr vor der Geburt Jesu) während der Regentschaft des Königs Herodes von Judäa erfolgte. 

Versucht man jedoch, diese und andere Bibelstellen, zeitlich gesehen, unter einen Hut zu bekommen um zumindest das Geburtsjahr von Jesus historisch sicher zu bestimmen, stellt man fest: Dies gelingt letztlich nicht. 

Wir müssen also damit leben, dass wir den tatsächlichen Geburtstag von Jesus nicht kennen.

Wahrscheinlich, so der Stand gegenwärtiger neutestamentlicher Forschung, wurde Jesus spätestens im Jahre 4 "vor Christus" geboren. 

Wie kommt es, dass dieses - aus unserer Sicht - wichtige Datum nicht überliefert wurde?

Nun, in der alten Kirche fehlte zunächst jedes Interesse, den genauen Tag der Geburt Christi zu kennen, beziehungsweise näher zu bestimmen. Im Gegenteil: Geburtstagsfeiern galten generell als abzulehnender paganer (heidnischer) Brauch. Die Kaiser ließen ihre Geburtstag öffentlich feiern - mit viel Pomp und Gloria. Von eben diesem Kaiserkult setzte sich die frühe Kirche jedoch bewusst ab.

Weitaus bedeutsamer als der Geburtstag eines Menschen erschien den ersten Christ*innen der Tag des Eintritts in das ewige Leben, also der Sterbetag, vor allem bei den Märtyer*innen. Dies galt erst Recht für Jesus.

Von Anfang an bedeutsam für die alte Kirche war das Osterfest, der Tag der Auferstehung. Karfreitag und vor allem Ostern - diese Daten markierten die zentralen Ereignisse der Heilsgeschichte. Ostern war für die ersten Christen der Tag, der alles verändert hat.  

Hinweise auf kirchliche Feiern zum Gedenken an die Geburt Jesu finden sich erst für das 4. Jahrhundert und zwar für den 25. Dezember. 

 

Wie ist die Kirche ausgerechnet auf diesen Termin gekommen?

Lange Zeit ging man in der religionsgeschichtlichen Forschung davon aus, dass dieses Datum bewusst auf den Zeitpunkt der paganen "Sol invictus"-Feiern gelegt worden sei. 

Diese Feiern wurden im spätantiken Rom zu Ehren von "Sol", dem unbesiegbaren Sonnengott gefeiert. Kaiser Aurelian (270-275) erklärte diese Gottheit mit dem Strahlenkranz zu seinem persönlichen Schutzherrn. 

Ein wichtiger Tag der Verehrung dieses Sonnengottes soll der 25. Dezember, der Tag der Wintersonnenwende gewesen sein.


Die Kirche habe dieses Datum von daher bewusst gewählt, so wurde angenommen, um dem "Sol invictus"-Kult etwas entgegen zu setzen, ihn also gewissermaßen "zu taufen". Als Gewährsmann für diese These wird der Kirchenvater Augustinus genannt, von dem folgendes Zitat überliefert ist: 


"Wir sollen also, Brüder, diesen Tag feierlich begehen, 

nicht wie die Ungläubigen um dieser Sonne willen, 

sondern um dessentwillen, 

der die Sonne geschaffen hat." 

(zitiert nach: WDR "Stichtag" vom 25.12.2014).

Was gegen diese Annahme spricht: Anfang des 4. Jahrhunderts soll Bischof Maximus von Turin Anfang gerade den Umstand, dass am 25. Dezember keine heidnischen Feste auf dem Kalender stünden, als Argument für dieses Datum als Tag der Geburt des Herrn angeführt haben. Letztlich lässt sich dieser Sachverhalt im Nachhinein vermutlich nicht mehr sicher klären.

Gleichwohl: Dass die Kirche den Tag für das Gedenken an die Geburt von Jesus gerade in die Zeit der Wintersonnenwende legte, scheint kein Zufall zu sein.

Das Johannesevangelium, das jüngste der vier Evangelien, zum Beispiel erzählt keine Geburtsgeschichte im eigentlichen Sinne. Dieses Evangelium beginnt mit einem Prolog, in dem das Bild vom "Licht, das in der Finsternis scheint", eine wichtige Rolle spielt (Johannes 1)

Welcher Zeitpunkt könnte zu diesem Bild vom Licht in der Finsternis besser passen, als der Tag, ab dem die Nächte wieder kürzer und die Tage wieder länger werden?



Warum feiern wir am 24. Dezember bereits den "Heiligen Abend"?

Dass das Weihnachtsfest bereits mit dem Abend des 24. Dezember beginnt, lässt sich leicht erklären. Hier zeigen sich die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens sehr deutlich: Denn im Judentum beginnt, dem biblischen Verständnis folgend, der Tag nicht mit dem Morgen, sondern schon am Abend. Festtage werden also am Abend eröffnet. Diese Sichtweise hat die christliche Gemeinde beibehalten, als sie sich nach und nach vom Judentum ablöste.

Eine Frage ist damit noch nicht beantwortet:

Warum feiert ein Teil der Christenheit Ende Dezember Weihnachten, während der andere Teil der Christenheit dieses Fest erst Anfang Januar begeht?

Dies zu beantworten, ist nicht schwer. Der Unterschied zwischen dem Weihnachtsdatum der westlichen Christenheit und dem der östlichen, orthodox geprägten Christenheit liegt in zwei unterschiedlichen Kalendersystemen begründet. Im Westen orientiert man sich bei der Festlegung der kirchlichen Feiertage am sogenannten Gregorianischen Kalender, während man im Osten am älteren Julianischen Kalender festhält. Diese beiden Kalendersysteme sind nicht synchron. So fällt zurzeit der 25. Dezember des Julianischen Kalenders auf den 7. Januar des Gregorianischen Kalenders. Die Details können hier auf der Internetseite "100jähriger Kalender" nachgelesen werden:


Ein Fußbodenmosaik wird entdeckt

Das Bild von Christus, der wahren Sonne, begegnet uns in der ältesten erhaltenen Kirche des Siegerlandes, der Siegener Martinikirche. Die erstmals urkundlich im Jahr 1311 erwähnte "Kirche außerhalb der Mauern" steht an einem Ort, an dem bereits zu Beginn der Christianisierung des Siegerlandes eine recht ansehnliche Kapelle gestanden haben muss. 

 


 

Vermutet wurde schon lange, dass es sich dabei um die Kapelle einer fränkischen Grenzfestung gehandelt haben könnte. Die Lage der Kirche auf einem Felssporn oberhalb der Sieg stützte diese Vermutung. 


Im Jahr 1959/60 fand man schließlich bei Grabungen überraschend ein erstaunlich gut erhaltenes Bodenmosaik, vermutlich aus dem 10. Jahrhundert. Das Mosaik zeigt eine Sonne mit fünf Strahlenkränzen, in deren Mitte sehr deutlich ein Kreuzsymbol eingearbeitet ist (Christus als die Sonne). Die Sternmotive, die um die Sonne herum angeordnet sind, erinnern möglicherweise an die sieben Gemeinden aus der Offenbarung des Johannes (Off. 1, 20).


Dass wir in zwei Tagen Weihnachten feiern, basiert also nicht auf einem Eintrag in einer weltliche Geburtsurkunde oder auf einem vergleichbaren Dokument. Dass wir Weihnachten gerade jetzt feiern, zur Zeit der Wintersonnenwende, ist letztlich eine theologische oder besser gesagt, seelsorgliche Entscheidung. 

Mitten in der dunkelsten, schwärzesten Nacht scheint ein Licht auf. 

Klein und zart, wie das Kind in der Krippe.  

Die Mitte der Nacht ist der Anfang eines neuen Tages. 

 

Vielleicht können wir das Geheimnisvolle dieses Zusammenhangs in diesem dunklen Corona-Winter noch einmal besser nachempfinden als in den Jahren zuvor. 

 

Ein wunderschönes Bild für dieses Licht, das Hoffnung in die dunkle Nacht bringt, haben wir in Peter Hoegs 1992 erschienenen Bestseller-Roman "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" gefunden. 

Die Geschichte spielt u.a. in Grönland. In Grönland ist von Dezember bis Februar die Sonne weg, oder richtiger gesagt: sie ist scheinbar weg, nicht zu sehen, noch nicht sichtbar. 

Dann, nach diesen langen Wochen, taucht sie langsam wieder am Horizont auf und es kommt zu einem faszinierenden Phänomen. Fräulein Smilla, die Hauptfigur im Roman, erinnert sich:

„In Thule kam das Licht im Februar zurück. 

Wochen vorher schon sahen wir die Sonne; während sie noch weit hinter den Bergen war und wir im Dunkel lebten, fielen ihre Strahlen auf Pearl Island, hundert Kilometer weiter draußen im Meer, und ließen die Insel wie einen Kristall aus rosa Perlmutt erglühen. 

Da war ich mir ganz sicher, egal, was die Erwachsenen sagten, dass die Sonne im Meer ihren Winterschlaf gehalten hatte und nun langsam aufwachte.“

 

In Thule, der Hauptstadt Grönlands, ist es noch dunkel, aber das Licht ist schon zu sehen; hundert Kilometer weit weg ist die Insel Pearl Island schon erleuchtet. 

Was für ein Gefühl muss das sein, welch ein Erlebnis - dieses Schauspiel miterleben zu können: 

Jetzt wird es hell!

Endlich hell!

Es dauert noch ein wenig,

aber es ist nicht mehr aufzuhalten: 

die Sonne ist aufgewacht!

 

So ungefähr ist Weihnachten gedacht:

 

Während Du selbst noch im Dunkeln sitzt, 

erkennst Du am Horizont diesen einen Punkt, wo das Licht schon angekommen ist. 

 

Diese eine Insel aus Licht. 

Mitten im dunklen, eisigen Meer. 

 

Und Dein Herz klopft schneller,

vor Aufregung und Freude

weil Du weißt: 

Das Licht ist unterwegs, es ist unterwegs zu uns, unterwegs zu mir. 

Nichts und niemand kann es aufhalten. 



ZUM MEDITIEREN: 


„Das Volk, das im Finstern wandelt, 

sieht ein großes Licht, 

und über denen, die da wohnen im finstern Lande, 

scheint es hell!“

(Jesaja 9, 1)



Habt einen guten, gesegneten Tag 

- bis morgen, beim (vorletzten) Türchen!










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