4. Dezember: Besuch in Nazareth

Was uns heute erwartet: 

Eine persönliche Reiseerinnerung.

Die Begegnung mit Mirjam und Ghada, zwei starken und mutigen Frauen, beide aus Nazareth stammend.

Schließlich gibt es noch ein köstliches Rezept aus biblischen Zeiten. 


 VON HEIKE DREISBACH

Im Herbst 2019 haben wir (Silke van Doorn und ich) zusammen mit einer wundervollen Gruppe eine Studienreise nach Israel unternommen. Nur wenige Monate später begann die Corona-Pandemie. Seitdem, also seit mittlerweile acht Monaten, sind Reisen nach Israel praktisch unmöglich. Nach wie vor ist nicht absehbar, wann es wieder losgehen kann. 

Immer wieder fragen wir uns, wie es wohl den Menschen, denen wir damals begegnet sind, jetzt gerade geht. In Israel leben sehr viele Menschen unmittelbar oder mittelbar vom Tourismus. Außerdem gibt es dort nicht die staatlichen Hilfe für Gastronomie und andere Wirtschaftszweige, wie sie in Deutschland bereitgestellt werden.

Seinerzeit, im Herbst 2019, als von alledem noch nichts zu ahnen war, am vierten Tag unserer Reise, haben wir Nazareth besucht. 

Nazaraeth ist für die Geschehnisse von Advent und Weihnachten gleich in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Dies hier habe ich in meinem Reise-Blog festgehalten: 

 

"In Nazareth besichtigen wir zunächst die griechisch-orthodoxe Gabrielskirche. Hier, wo einst der Brunnen von Nazareth war, soll  Maria nach orthodoxer Überlieferung dem Engel Gabriel begegnet sein. Auf dem Marktplatz ist ganz schön was los. Nicht ganz leicht, die Bilder aus der Kinderbibel von Maria und dem Engel Gabriel zusammen zu bringen mit dem lauten orientalischen Treiben auf diesem Platz. 

Weiter geht es, auf unserem Plan für heute steht nun die deutlich grössere katholische Verkündigungsbasilika.


Dort angekommen, umfängt uns sofort wieder ein ziemlicher religiöser Trubel. Ich merke, wie ich innerlich auf Abstand gehe. Ganz sicher werden solche Stätten auf Menschen, die eine andere geistliche Prägung erfahren haben als ich, durchaus erhebend wirken. Aber ich kann mir nicht helfen, ökumenischen Weite hin oder her: Ich finde ich den Gedanken bedrückend, wieviel Schindluder im Laufe der Zeit mit einem immer stärker moralisch überfrachteten Marienbild getrieben worden ist. Wie viel Unrecht, gerade Frauen gegenüber, ist mit dem Hinweis auf Marias angebliches Vorbild gerechtfertigt worden.

Nathan (unser großartiger Guide!) gibt uns eine jüdische (eine biblische!) Perspektive auf das über dem Portal angebrachten Jesajazitat: "Siehe, eine Jungfrau / junge Frau (hebr.: alma) wird schwanger sein und einen Sohn gebären, dem werden sie den Namen Immanuel geben, das heisst: Gott mit uns" (Jesaja 7, 14).

Hier wird, in einer ganz bestimmten geschichtlichen Situation, die Hoffnung wachgehalten auf die Ankunft eines Königs, der gerecht regieren wird. Und "alma" bedeutet schlicht und einfach "junge Frau". Was nicht zwingend verbunden ist mit dem, was heute landläufig unter "Jungfräulichkeit" verstanden wird. Nathans gelehrter Blick ins Alte Testament tut mir gut inmitten dieses gefühlig-frommen Rummels (...).


Was hilft es? Nun bin ich einmal hier. Also versuche ich, mich einzulassen auf diesen Ort. Ein wenig ziellos streife ich durch die Kirche und betrachte die vielen Mariendarstellungen. Gibt es eine, die mich besonders anspricht?

Diese hier fällt mir besonders ins Auge:

 

Diese Maria gefällt mir. Trotz Himmelköniginnen-Sternen-Diadem hat sie etwas von der eigentlichen, der galiläischen Mirjam. Denn "Maria" wird die Mutter von Jesus zu Lebzeiten wenn überhaupt, dann wohl nur höchst selten genannt worden sein.

Ich betrachte die Statue und muss an Marias Lobgesang aus Lukas 1 denken.

Und an die umstrittene Christnacht-Predigt der Schweizer Pfarrerin Maja Zimmermann-Güpfert. In der sie das von Maria nach Lukas 1 selbstgewählte Bild von der Erhöhung der Erniedrigten wörtlich nimmt. Denn "erniedrigt", das sind nach biblischem Sprachgebrauch eben auch vergewaltigte Frauen. 

Und war Israel zur Marias Zeit nicht ein besetztes Land?

Solche Gedanken verstören. 

Erscheinen ungeheuerlich. 

 

So ungeheuerlich, dass die Schweizer Pfarrerin 2013 nach ihrer Predigt im Berner Münster am Ausgang beim Händeschütteln von einem erbosten Gottesdienstbesucher gar eine Ohrfeige bekommen hat.

Wer kann schon wissen, wie alles wirklich gewesen ist?

Maja Zimmermann-Güpferts Blick auf Maria, die von Gott ihre Würde zurück bekommt,
ist jedenfalls mit mir gegangen, seit ich davon gehört habe. Und gerade hier, in der Verkündigungskirche in Nazareth muss ich wieder daran denken. 

 
Da steht sie, die Mirjam-Maria mit ihrem Sternen-Diadem.

Was auch immer in ihrem jungen Leben vorausgegangen sein mag.

An Entwürdigung.
Und Erniedrigung.

Jetzt zählt nur noch das: 

Gott hat sie erwählt und berufen.

Und sie hat sich entschieden.

"Siehe, ich bin Adonais Magd", hat sie gesagt.

Ja, ich bin bereit.

Bereit für das Schöne und für das Schwere.

Ich bin bereit, meinen Platz einzunehmen, den Gott für mich vorgesehen hat in seinem großen Plan. 


Und Mirjam sang dieses Lied:

Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan, 
der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht
bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron 
und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er gedenkt der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredet hat zu unsern Vätern,
Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit. 

(Lukas 1, 46 - 55). 




Wir verlassen die Verkündigungskirche und machen uns auf den Weg zu Ghadas Corner, einem Café, in dem auch Kunsthandwerk zum Verkauf angeboten wird.

  

Ghadas Café-Laden liegt ein wenig versteckt, in der sehr deutlich arabisch geprägten Altstadt von Nazareth. 

Ghada ist nicht nur Cafebesitzerin, Kunstgewerbehändlerin und eine kluge Geschäftsfrau, sondern außerdem ausgebildete Tourguide mit einem Magister in biblischer Archäologie. 

Sie ist griechisch-orthodoxe arabische Christin und vor allem anderen ist sie eine brilliante Geschichtenerzählerin.
  

Bei Ghada bekommen wir zunächst einen stilecht-orientalischen Lunch serviert. Alles schmeckt einfach nur köstlich: Ofenfrisches Pittabrot mit Zatar oder Schafskäse, Falafel, Hummus, Gemüse, Joghurt und Oliven, später noch Pfefferminztee und ein Dattel-Feigen-Johannisbrotkonfekt.

Wir geniessen unsere Mahlzeit in diesem wunderschönen Ambiente und hören gespannt zu, was Ghada erzählt über ihre Kindheit, ihren Werdegang und darüber wie es ist, als Angehörige einer nichtjüdischen Minderheit in Israel zu leben. "In meiner Person sind gleich drei Minderheiten repräsentiert", so stellt sie sich uns vor: "Ich bin Araberin, Christin und ich bin eine Frau. Wenn ich etwas wollte, was nicht den Erwartungen meiner Umgebung entsprach, dann musste ich dafür hart kämpfen."

Als Christin weiß Ghada den Schutz und die Freiheiten zu schätzen, den Israel als einziger demokratischer Staat im Nahen Osten all seinen Bewohner*innen gewährt. Aber sie erzählt auch von den Grenzen dieser Freiheit, die sie als Araberin und Nicht-Jüdin durchaus zu spüren bekommt. Was Ghada berichtet, macht deutlich: Es ist fatal, wenn die Scharfmacher und Konfliktanheizer auf beiden Seiten die Oberhand gewinnen. Beide Seiten brauchen in dieser Hinsicht dringend eine Kurskorrektur. 

Nach dieser Begegnung geht es zu Fuß zurück geht durch den Suk von Nazaraeth.

Alles um uns herum ist so unglaublich bunt und unglaublich laut. Aber - erstaunlicher Weise- fühle ich mich trotzdem sehr entspannt und vitalisiert zugleich. Nicht nur, weil es so verführerisch duftet, nach frisch gebranntem Kaffee und Kardamon.


Und es duftet - mit einem Mal, tatsächlich - nach Holz!

Eine Bandsäge kreischt,

Kein Witz:

Wir stehen mitten in Nazareth direkt vor einer Zimmermannswerkstatt.


Das sagt sich so leicht:
 

"Jesus, der Mann aus Nazareth, war Handwerker.
Zimmermann in der Werkstatt seines Vaters".


 Aber wenn es plötzlich so anschaulich wird....


ZUM MITMACHEN:

Bei Ghada gab es u.a. Hummus, den köstlichen Kichererbenbrei, der seit Menschengedenken überall in der Levante zur Alltagskost dazu gehört. Alle lieben Hummus: Araber*innen, Jüd*innen, Christ*innen... Gestritten wird allenfalls darum, wer das beste Rezept hat. Ich bin sehr sicher, auch Maria (oder besser gesagt Mirjam) wird diese köstliche Speise regelmäßig für ihre Familie hergestellt haben. 

Hummus ist leicht herzustellen, vegan, eiweißreich und einfach nur super-lecker. 

Am besten einfach mal ausprobieren. Dies hier ist mein Spezialrezept - das Ergebnis schmeckt wie im Heiligen Land.

Zutaten (für ca. 4 Personen):

250 g. getrocknete Kichererbsen  (oder ca. 600 g. gekochte aus dem Glas oder der Dose)

1 Teel. Backnatron

250 - 300g. Tahin (Sesampaste– möglichst helles, dunkles ist aber auch lecker, gibt es im Bioladen oder in arabischen oder türkischen Läden)

4 Eßl. Zitronensaft

1 – 4 Knoblauchzehen nach Geschmack (wer keinen Knoblauch mag, lässt ihn einfach weg)

1 ½ Teel. Salz (bitte erst nach dem Kochen dazu geben!)

Ca. 100 ml. eiskaltes Wasser

 

Zum Garnieren:

Gerösteter, gemörserter oder gemahlener Kreuzkümmel

Pul Biber (Paprika-Chili-Flocken, gibt es im Gewürzhandel oder in türkischen oder arabischen Läden) oder Chili oder scharfes Paprikapulver,

Olivenöl

Ggf. Petersilie, sowie einige unzerdrückte Kichererbsen

 

Herstellung:

Die Kichererbsen gründlich waschen und über Nacht in reichlich kaltem Wasser einweichen. Am nächsten Tag die Kichererbsen abgießen. 1 ½ Liter Wasser auffüllen, Backnatron hinzugeben und die Kichererbsen aufkochen lassen. Vorsicht: Es schäumt heftig – ggf. abschäumen. Bei niedriger Temperatur oder in der Kochkiste fertiggaren. Die Kochzeit beträgt je nach  Größe und Sorte der Kichererbsen zwischen 20 und 40 Minuten. Die Kichererbsen sollten sehr weich sein und sich leicht zerdrücken lassen. Die Kichererbsen abgießen und ggf. die Häutchen, die sich gelöst haben, aussortieren. Dies macht das Hummus feiner. Dieser Schritt ist aber nicht unbedingt nötig. Die Kichererbsen zusammen mit den übrigen Zutaten bis auf das Wasser in der Küchenmaschine oder mit einem Pürierstab fein pürieren. Nach und nach mit dem eiskalten Wasser luftig aufschlagen, bis die gewünschte cremige Konsistenz erreicht ist.

Das fertige Hummus in eine Schale geben oder auf einer Platte verstreichen. Mit Pul Biber oder scharfem Paprika oder Chili und Kreuzkümmel bestreuen, mit reichlich Olivenöl beträufeln. Eventuell mit geschnittener Petersilie und unzerdrückten Kichererbsen garnieren.

Dazu gibt es Brot (Fladenbrot ist toll, es funktioniert aber auch sehr gut mit Siegerländer Schwarzbrot), sowie Rohkost, aber auch Reis und Gemüse oder ganz stilecht, wie in Israel und anderswo in der Levante, Falafel (frittierte Kichererbsenbällchen). Vielfach üblich ist inzwischen, das Rezept abzuwandeln, zum Beispiel einen Teil der Kichererbsen durch gegrillten Kürbis oder gekochte rote Beete zu ersetzen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Im Kühlschrank hält sich Hummus, gut abgedeckt, 2 – 3 Tage ganz problemlos.


Viel Spaß beim Nachkochen und Hummus-Genießen!

Wir sehen uns morgen, beim nächsten Türchen!

 

Kommentare

  1. Von Margrit Hasselbach, Lehrerin i.R., ehemals tätig am EVAU, dem Ev. Gymnasium in Siegen, erreichte mich folgender Kommentar per E-Mail, den ich hier sehr gerne mit ihrer Erlaubtnis veröffentliche:

    "Das Türchen vom 4.12. (des) Adventskalenders hat in mir eine Reihe besonderer Erinnerungen geweckt: Zunächst der Lobgesang der Maria. Der Beginn dieses Lobliedes ist mein Konfirmationsspruch, der alle Jahre wieder besonders in der Adventszeit Erinnerungen in mir weckt. Die konkretisieren sich u.a. in Bachs Magnificat, das an einem Adventssonntag zu hören für mich ein Muss ist.
    Und dann meine 9 verschiedenen Reisen nach Israel:
    Die erste Reise fand 1968 - das ist nun schon über 50 Jahre her - zusammen mit einer Jugendgruppe des CVJM Köln statt. In Köln wohnte meine Schulfreundin Renate und animierte mich direkt nach meinem Studium zu dieser Reise. Wir hatten zuerst einen dreiwöchigen Arbeitseinsatz im Kibbuz Jif'at, der übrigens ganz nahe bei Nazareth liegt, und hinterher eine zweiwöchige Rundreise durchs Land, bei der wir in diversen Jugendherbergen übernachteten. Nazareth stand da auch auf dem Programm, und die gerade neu erbaute Verkündigungskirche erschlug mich förmlich mit ihren überdimensionalen Umrissen in dieser kleinen Stadt. Ungleich sympathischer fand ich die bescheidene Synagoge aus byzantinischer Zeit, in der ich mir Jesus als Tora- Vorleser auch gut vorstellen konnte...


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