20. Dezember: "Du sollst ihm den Namen Jesus geben"

Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist die Spannung groß:

Welchen Namen wird es bekommen? 

Namen sind wichtig und keineswegs nur Schall und Rauch. 

Dies gilt auch für den Namen des Kindes in der Krippe.

Über seinen Namen wollen wir heute mehr in Erfahrung bringen.


von Heike Dreisbach

Wie soll das Kind heißen?

Im Neuen Testament wird die Weihnachtsgeschichte zweimal erzählt. Mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Am bekanntesten ist die Geschichte aus dem Lukasevangelium, bei der ein junges Elternpaar, Maria und Joseph, zwangsweise kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes nach Bethlehem reisen muss. Dort kommt das Kind unter ausgesprochen improvisierten Bedingungen zur Welt. Die ersten, die es besuchen, sind ein paar Hirten, die scheinbar zufällig gerade in der Nähe sind.

Im Matthäusevangelium ist keine Rede von Hirten und oder von einer Futterkrippe (siehe auch das Türchen vom 5. Dezember). Die Geburt des Kindes wird mit einem knappen Halbsatz mehr festgestellt, als tatsächlich erzählt. Was im Anschluss ausführlich geschildert wird, ist der Besuch von drei weisen Männern, die von weit her gekommen sind, um einem neugeborenen Königskind zu huldigen. 

Beide Weihnachtsgeschichten haben ihre je eigene Vorgeschichte. In beiden spielt eine Engelsbotschaft eine entscheidende Rolle (siehe Türchen vom 2. Dezember). Nach dem Lukasevangelium ist es Maria, die von einem Engel besucht wird

Nach Matthäus ist es Joseph, der eine Engelbotschaft erhält. Anders als Maria erscheint ihm der Engel jedoch "nur" im Traum.

Wer die beide Vorgeschichten aufmerksam liest, stellt fest: Bei aller Unterschiedlichkeit gibt es eine wichtige, geradezu verblüffende Übereinstimmung: 

Ein Teil der Engelsbotschaft ist bis in den ursprünglichen griechischen Wortlaut hinein identisch. Beide, Maria und Joseph, werden aufgefordert:

 "Du sollst ihm den Namen Jesus geben". 

Und genauso wird das Kind auch genannt:

Das Kind "bekam den Namen Jesus" (Lukas 2, 21) und "er (Joseph) gab ihm den Namen Jesus" (Matt. 1, 25).


Ein Kind namens Jesus?


Wenn in vier Tagen überall auf der Welt Weihnachten gefeiert wird, geht es also um ein vor mehr als 2000 Jahren geborenes Kind, das den Namen "Jesus" trägt. 

Wobei der Name "Jesus", was selten reflektiert wird, lediglich nur eine eingedeutschte Version ist seines echten Namens ist.  

Wie das Kind in der Krippe genannt wird, hängt davon ab, in welcher Sprache von seiner Ankunft erzählt oder gesungen wird: 

"Dschises is born" (Jesus is born) - heißt es im englischsprachigen Raum.

 "Jesús" sagen die Spanier. 

 "ʿĪsā", ist eine aus dem Arabischen stammende Variante, die heute in vielen Sprachen des Orients geläufig ist. Die aus Afghanistan stammenden Geschwister in unserer Gemeinde etwa sprechen Farsi. Wenn wir miteinander beten, verstehe ich eigentlich immer nur diesen einen Satzfetzen, den Farsi-Begriff für "Jesus Christus":  "isā masih".


Maria, Joseph und ihr Kind waren Juden aus Galiläa und als solche sprachen sie Hebräisch und im Alltag wohl vor allem Aramäisch.

Der Name, mit dem Jesus also tatsächlich gerufen wurde, lautet:

 יֵשׁוּעַ

Jeschua.

 

Namen in der Bibel sind nie zufällig. 

Namen haben immer eine  Bedeutung. 

יֵשׁוּעַ 

Jeschua, das bedeutet:  

Rettung. 

Befreiung.

Hilfe. 


Retten, befreien, helfen: All das bedeutet letztlich, dafür zu sorgen, dass ein anderer / eine andere in Sicherheit gebracht wird, in Sicherheit hinein gerettet wird.


יֵשׁוּעַ

Jeschua:

Dieser Name weist auf den hin, von dem allein Rettung, Hilfe und Befreiung kommt:

den Gott Israels.

Gott rettet, Gott hilft, Gott befreit, Gott bringt in Sicherheit. 

Was für einen Namen trägt dieses kleine Kind in der Krippe! 


Das Kind in der Krippe ist schwach und wehrlos, absolut angewiesen darauf, dass es versorgt wird, ernähert und gepflegt.

Es hat, wie alle Babys, nur diese eine Macht: Durch sein Schreien kann es auf sich und seine Bedürfnisse aufmerksam machen. 

Es ist die Macht, der "jungen Kinder und Säuglinge", die Gott selbst den Allerkleinsten verliehen hat, wie wir in Psalm 8 nachlesen können.

Diese Macht wirkt nicht durch das Schreien allein. Die Macht, die Gott den Allerkleinsten verliehen hat, ist eine unwiderstehliche Macht, die unsere Herzen bezaubert. 

Die Biologie bezeichnet dieses Phänomen mit dem nüchternen Begriff  "Kindchenschema"

Ganz gleich, ob es sich um Menschen- oder Tierbabys handelt: Große Augen, runde Gesichter und ein unschuldiger Gesichtsausdruck – all das finden Erwachsene nicht nur "süß", sondern es sichert den Kleinen das Überleben.


An Weihnachten zeigt sich:

Gott rettet die Welt nicht durch das kraftvolle Erscheinen eines siegreichen, militärisch und wirtschaftlich überlegenen Herrschers. 

Gottes Retter erscheint in  Gestalt eines Neugeborenen, dessen Leben schon bald, so erzählt es das Matthäusevangelium, derart bedroht ist, dass seine Eltern zur Flucht gezwungen sind (Matth. 2, 13 - 29).

Diese Geschichte, die Geschichte vom Kindermord in Bethlehem ist unfassbar brutal und verstörend, dass ich vor der Lektüre eher warne, als dass ich sie empfehlen möchte. 

Zugleich zwingt diese Geschichte dazu, sich der Verlorenheit dieser Welt zu stellen. 

Was für eine Welt ist das, die sich so heillos verstrickt hat in einer schrecklichen Dynamik, für die die Theologie im Deutschen den Begriff der „Sünde“ geprägt hat?

Wenn diese Dynamik auf die Spitze getrieben wird, ist sie entsetzlicherweise sogar in der Lage, die kreatürlich in uns Menschen angelegte Neigung auszuschalten, die eigentlich darauf aus ist, das Kleine und Schwache zu beschützen. 

 

Wahrhaftig:

Diese Welt braucht Rettung.

Sie braucht einen Erlöser. Einen Befreier, der nicht mit verstrickt ist in die unheilvolle Dynamik von Schuld und Verhängnis. Und der doch bereit ist, mitten hinein zu gehen in all den Schmutz und den Schmerz. Mitten hinein die Dunkelheit dieser Welt.

 

Vielleicht habt Ihr noch vor Augen, worum es beim Türchen am 29. November, am 1. Advent ging: Um den Helfer, dem geholfen wurde.

Genau das begegnet uns hier wieder und zwar unmittelbar im Namen des Kindes, in seinem Namen, den es nach Gottes Willen tragen soll.

יֵשׁוּעַ  Jeschuah.

Von Anfang an ist er, Jeschua, der Retter, der selbst auf Rettung angewiesen ist.

Darin besteht seine Macht. 

 

Und - so viel "Spoilern" sei erlaubt - diese Macht wird sich als wahrhaft erlösend, befreiend, als rettend erweisen. Im Licht des Ostermorgens...


 

יֵשׁוּעַ

Jeschua.

Vielleicht mögt Ihr diesen Namen nicht nur lesen oder laut aussprechen. 

Vielleicht habt Ihr, wie ich, Freude daran, diesen Namen eigenhändig zu schreiben. 

Und zwar so, wie der kleine Jeschua ihn vermutlich selbst beim Lesen und Schreiben lernen einst mit einem Stöckchen in den Sand gekritzelt oder auf ein Tontäfelchen geritzt hat. Mit einfachen, vielleicht etwas ungelenk wirkenden hebräischen Buchstaben.

Um Jeschua schreiben zu können, müsst Ihr nicht gleich das gesamte hebräische Alphabet lernen, es sind im Wesentlichen nur vier Buchstaben und zwei Vokalzeichen. Und wer weiß – vielleicht kommt Ihr ja auf den Geschmack und möchtet mehr Hebräisch lernen? Dann meldet Euch auf jeden Fall bei uns!


ZUM TIEFER GRABEN UND AUSPROBIEREN:

Den Namen Jeschua mit hebräischen Buchstaben schreiben

Alles, was Ihr braucht, ist ein Schreibblock oder ein paar Bögen Papier und einen Stift, mit dem Ihr gerne schreibt. Am Anfang kann es hilfreich sein, wie ein Schulkind der 1. Klasse bewusst sehr groß zu schreiben und dabei auch einen dicken Filzstift o.ä. zu verwenden. 

Regel Nr. 1 beim Hebräisch lernen: 

Die Schreib- und Leserichtung ist genau anders herum als in unserem Schriftsystem.

Regel Nr. 2: Das Hebräische ist eine Quadratschrift

Die meisten Buchstaben können in ein gedachtes Quadrat eingezeichnet werden. Lediglich einige Schlussbuchstaben durchbrechen dieses Muster nach unten.

Regel Nr. 3: Das Hebräische ist eine Konsonantenschrift.

Das bedeutet: Die Kombination von Konsonanten (Mitlauten) und wenigen Andeutungen von Vokalen (Selbstlauten) reichen aus, um zu verstehen.

Im modernen Hebräisch (Ivrit) werden nur Konsonanten ausgeschrieben. Beim biblischen Hebräisch war dies zunächst auch der Fall. Später allerdings, als das Hebräische für lange Zeit seinen Charakter als gesprochene Sprache verlor, wurde es mit ergänzenden Vokalzeichen vereindeutigt (siehe unten).

Beispiele für eine Konsonantenschreibweise, wenn man sie auf deutsche Wörter anwenden würde:

Honigkuchen: Hngkchn

Tisch: Tsch

Mandarine: Mdrn

 

Die im biblischen Hebräisch gebräuchlichen Vokalzeichen wurden im 5. Jahrhundert von den sogenannten Masoreten eingesetzt. Es gab zunächst unterschiedliche Systeme. Letztlich durchgesetzt hat sich die Methode der Familien Ben Ascher und Ben Naftali aus Tiberias am See Genezareth. Sie verwendeten eine Punktesystem:

In diesem Artikel über das hebräische Alphabet befindet sich u.a. eine Tabelle mit allen Konsonanten. 

Hier gibt es ein hübsches Video, das einem die Buchstaben mit Hilfe einer kleinen heiter-nachdenklichen rabbinischen Geschichte über die Erschaffung der Erde und der hebräischen Buchstaben nahebringt. Ich liebe dieses Video...

Um den Namen Jeschua schreiben zu können, benötigen wir lediglich diese vier Buchstaben. In rot ist die Schreibrichtung für die einzelnen Buchstaben angegeben.


 


Nebeneinander geschrieben (von rechts nach links!) ergibt sich dieses Bild:


Dies ist das Schriftbild von "Jeschua" ohne Vokale. Normalerweise schreibt man die Vokale gleich im Schreibfluss mit unter die Konsonanten. Fürs Ausprobieren hier in unserem Fall ergänzen wir sie im Nachhinein.

Die Konsonanten ergeben nun von rechts nach links folgende Laute:

Je - sch - uw - a

Hier gibt es gleich eine nachgeschobene Erklärung. Es gibt im Hebräischen Buchstaben, die sowohl konsonantisch auftreten, als auch als sogenannte Mater lectionis, zu Deutsch: Lesehilfen. 

So z.B. das Waw in unserem Fall. Es kann am Anfang eines Wortes als "W", gelesen werden.  Ansonsten wird es als "u" gelesen. Ähnliches gilt auch für das Jod. Es kann, vor allem am Anfang eines Wortes als "J" gelesen werden. Am Ende eines Wortes wird es meist als "i" ausgesprochen. 

All das klingt erst einmal sehr verwirrend, aber man gewöhnt sich rasch daran. 

 

Unser Schriftbild für Jeschua wird nun noch erweitert durch die folgenden Vokalzeichen:

Die beiden nebeneinander geschriebenen Punkte unter dem Jod werden als langes "e" gelesen (siehe Tabelle oben).

Der Strich unter dem Ajin als kurzes "a" (siehe Tabelle oben).

Den Punkt im Waw nennt man "Dagesch", er dient u.a. als Verdopplungszeichen in der Wortmitte. 

So also schreiben wir Jeschua mit Vokalzeichen und Dagesch:

Das ist es schon!

Du kannst diesen Namen einfach für Dich aufschreiben, als kleine meditative Übung, um Dich in die Bedeutung dieses Namens hinein zu versenken.

Wer Freude am kreativen Gestalten hat, kann auf diese Weise vielleicht sogar in letzter Minute noch eine schöne Karte zum Verschenken erstellen. 


Viel Freude wünschen wir Euch beim Schreiben und Üben!


Habt einen gesegneten 4. Advent - 

bis morgen, beim nächsten Türchen!




 

 




 

 







 

 

 

 


 

 





Kommentare

  1. Großartig, liebe Heike Dreisbach! Danke für die überzeugende Motivation, die hebräische Sprache wahrzunehemen!!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen